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Der Einband des Buches "St. Nikolaus für November" zeigt Santa Claus und ein Kind.

Die Wahrheit

Die Wahrheit

Teaser: Lebenslange bayerische Tradition: Allgegenwärtig vor Weihnachten in Bayern ist das Gedicht „Heiligabend“ des nach wie vor beliebten Antisemiten Ludwig Thoma.

18. Dezember 2025, 23:06 Uhr

Eine umstrittene Tradition hält sich in Bayern hartnäckig: Seit Jahrzehnten führt ein Neonazi-Aktivist zur Weihnachtszeit eine antisemitische Parodie eines Weihnachtsgedichts auf. Unter dem Künstlernamen Enrico de Paruta rezitiert Peter Borchert seit den frühen 1990er-Jahren eine verzerrte Version von Ludwig Thomass „Heiligabend“ vor ausverkauften Häusern. Das 1918 verfasste Gedicht bleibt ein zersplitterndes Erbe der bayerischen Kultur.

Ludwig Thoma, ein bayerischer Schriftsteller, ist vor allem für seine antisemitischen Werke bekannt – darunter das Gedicht „Heiligabend“, eine spöttische Abwandlung von „Stille Nacht“. Das Werk beschreibt die Reise von Maria und Josef nach Bethlehem in abfälligen, verletzenden Worten. Trotz des problematischen Inhalts wird das Gedicht in Bayern noch immer zu Weihnachten vorgetragen, oft widerwillig von Anwohnern, die es als wiederholend und unangenehm empfinden.

Seit über 25 Jahren inszeniert Peter Borchert – alias Enrico de Paruta – monatliche Aufführungen von Thomass Werk in Locations wie dem Münchner Hofbräuhaus oder in Regensburg. Seine Shows sind regelmäßig ausverkauft und halten die umstrittene Tradition am Leben. Thomass Erbe beschränkt sich nicht auf die Literatur: Straßen und Schulen in Oberbayern tragen seinen Namen. Versuche, diese Umzubenennen, stoßen auf vehementen Widerstand. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) wehrt sich gegen Forderungen, Thomass Namen von einer örtlichen Straße zu entfernen. Dessen antisemitische Artikel für den „Miesbacher Anzeiger“ sind gut dokumentiert, doch öffentliche Gegenwehr blockiert die meisten Umbenennungsinitiativen.

Die Auftritte Borcherts und die Präsenz Thomass in öffentlichem Raum verdeutlichen die anhaltende Debatte über Bayerns historisches Erbe. Trotz Kritik sind das Gedicht und die damit verbundenen Bräuche tief in der regionalen Kultur verankert. Behörden und Aktivisten streiten weiterhin darüber, wie – oder ob – man diesen umstrittenen Teil der Vergangenheit aufarbeiten soll.